Im Winter ist alles anders. Jedes Jahr merken wir, wie der Winter uns verändert. Vor allem am Morgen, wenn der Wecker klingelt: Am liebsten würden wir einfach liegen bleiben. Woche für Woche schleicht sich dann ein kleiner Winterblues ein und eben dieser verabschiedet sich (hoffentlich) mit dem Frühlingserwachen auch wieder. Doch woher kommt dieses Phänomen eigentlich?


Warum ist man im Winter immer müde?

Eine der Hauptursachen, warum wir vor allem in den Wintermonaten ständig mit Müdigkeit zu kämpfen haben, liegt in einer Veränderung unseres Biorhythmus. Der Biorhythmus ist unser Taktgeber. Er sorgt dafür, dass wir ohne Weckerklingeln aufstehen und gut regeneriert in den Tag starten, ohne dabei müde zu sein. Einer der wichtigsten „Zeitgeber“ für den Biorhythmus ist das Licht. Normalerweise sorgt der erhöhte Blaulichtanteil im Morgenlicht für eine gesteigerte Cortisol-Ausschüttung, was uns aufwachen lässt. Cortisol ist ein körpereigenes Hormon, das an vielen Stoffwechselvorgängen beteiligt ist und bei Stress vermehrt freigesetzt wird. Dieser Mechanismus funktioniert am besten in Äquatornähe, da hier die geringsten Schwankungen vorliegen (12/12-Stunden-Rhythmus) und unsere Vorfahren noch bis vor 90.000 Jahren dort beheimatet waren.

Im Winter reduziert sich die Anzahl der Sonnenstunden am Tag, gerade in den nördlicheren Regionen. Das bedeutet: morgens wird es später hell, und abends früher dunkel. Interessanterweise kann man auch epidemiologisch eine Verbindung erkennen, denn die so genannte „Winterdepression“ tritt in in nördlicheren Regionen umso häufiger auf.[1] Gerade in den skandinavischen Ländern und Island ist dies ein bekanntes Problem.

Trotz Einführung der Sommer- und Winterzeit reicht die Zeitverschiebung um eine Stunde nicht aus, um den wirksamen Zeitgeber Licht zu kompensieren. Denn unsere Arbeitszeit wird in den seltensten Fällen an die Jahreszeit angepasst. Häufig entfällt durch den Einsatz moderner Technik die Abhängigkeit vom Tageslicht, weshalb Schichtarbeit heute zur Normalität geworden ist. Zahlreiche Studien zeigen jedoch, dass bei Schichtarbeitern, vor allem in Bezug auf Nachtschichten, ein konkreter Zusammenhang zwischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Darmbeschwerden und Übergewicht besteht.[2] Dies zeigt deutlich, welche Rolle das Licht für unsere Gesundheit spielt. Ohne diesen natürlichen Zeitgeber kann man nicht gut von „schlaf“ auf „wach“ umstellen, weshalb uns das Aufstehen schwerer fällt. Zudem wird aufgrund des geringen Blaulichtanteils weniger Cortisol produziert, was dazu führt, dass weniger Energie für den Start in den Tag bereitgestellt wird.

Licht an!

Der richtige Einsatz von Lichtquellen kann helfen, gegen den Winterblues zu steuern. Mit so genannten „Bright-Light-Lamps“, die mit 10.000 LUX Beleuchtungsstärke das Sonnenlicht imitieren, gelingt es sogar, einen nachweislich förderlichen Einfluss auf Depressionen zu nehmen.[3]

Kürzere Tage in den Herbst- und Wintermonaten

Natürlich gibt es noch weitere Faktoren, die in der dunklen Jahreszeit eine Rolle spielen. Zum einen schränkt die Dunkelheit unser Bewegungsverhalten ein. Denn Vielen fällt es doch sehr schwer, nach der Arbeit, bei nasskaltem Wetter und Dunkelheit noch Sport zu treiben. Dabei hilft Sport, gerade in den Morgenstunden, die Ausschüttung von Cortisol zu steigern und sorgt dafür, dass wir „hell-wach“ in den Tag starten können.

Auch der Mangel an Sonnenlicht und Zeit draußen an der frischen Luft und in der Natur begünstigt den „Winterblues“. Denn der Aufenthalt in der Sonne ist dafür verantwortlich, dass wir durch UVB-Strahlen ausreichend Vitamin D produzieren. So weisen Menschen, die in den nördlichen Breitengraden leben, im Winter ein erhöhtes Risiko auf einen Vitamin-D-Mangel zu entwickeln. Neben zu wenig Sonnenstrahlen auf der Haut, einer generell geringeren Intensität der Sonne in den Monaten September bis Mai können auch UVB-abweisende Kleidung[4] zu einem Mangel des wichtigen Sonnenvitamins führen. Der Zusammenhang zwischen Vitamin-D-Mangel und Depressionen konnte in einer Studie nachgewiesen werden. Ergebnissen einer Übersichtsarbeit zu diesem Thema zufolge, kann die Einnahme von Vitamin D bei saisonal abhängigen Depressionen[5][6][7] helfen.

Die besten Tipps bei Winterblues und Müdigkeit

  • Nutze zum Start in den Tag eine Tageslichtlampe und im besten Fall noch einen Lichtwecker. Sie halten den Biorhythmus im Takt und sorgen für eine gesteigerte Cortisol-Produktion am Morgen.[3]
  • Raus an die frische Luft – trotz des nasskalten Wetters! Versuche im besten Fall morgens Sport zu treiben, optimaler Weise ein hochintensives Intervall-Training oder einen 15-minütigen strammen Spaziergang einzuplanen. Aktivität am Morgen ist ein Zeitgeber und erhöht die Produktion von Cortisol.[8] Nicht zu vergessen zeigen sich auch Sitzpausen (Sitting breaks von ca. 1-3 Minuten), vor allem bei Büroarbeiten, als effektive Unterstützung.
  • Nach dem Sport kann eine kurze kalte Dusche ebenfalls helfen, den Cortisol-Spiegel zu pushen und die Laune zu verbessern.[9][10]
  • Nutze abends eine Blaulichtfilterbrille. Diese speziellen Brillen reduzieren den Blaulichtanteil, gerade aus Bildschirmlicht. Bei vielen Geräten, wie dem Handy und Laptop kann man über den „Nachtmodus“ den Blaulichtanteil schon reduzieren.
  • Ein normaler Vitamin-D-Spiegel. Menschen, die in den nördlichen Breitengraden leben, tragen im Winter ein erhöhtes Risiko eines Vitamin-D-Mangels. Teste also deinen Vitamin-D-Spiegel und beginne ggf. mit einer Supplementierung.[4] Fetter Kaltwasserfisch und Leber sind beispielsweise Nahrungsquellen für Vitamin D.
  • Schlaffördernde Nahrungsmittel am Abend: Banane, Kiwi, Ananas und Walnüsse haben einen relativ hohen Anteil an 5-hydroxytryptamin, das eine Vorstufe unseres Schlafhormons Melatonin ist.[11]
  • Natürlich darf bei der ganzen Aktivität und Herausforderung ein Schokomousse für die Seele, mit viel Tryptophan, um unser Glückshormon Serotonin zu bilden, nicht fehlen.

Rezept: Schokomousse mit Beeren

Literatur:

  1. Rosen, L. N., Targum, S. D., Terman, M., Bryant, M. J., Hoffman, H., Kasper, S. Rosenthal, N. E. (1990). Prevalence of seasonal affective disorder at four latitudes. Psychiatry Research, 31(2), 131–144. https://doi.org/10.1016/0165-1781(90)90116-M.
  2. Angerer, P., & Petru, · R. (2010). Schichtarbeit in der modernen Industriegesellschaft und gesundheitliche Folgen. Somnologie, 14, 88–97. https://doi.org/10.1007/s11818-010-0462-0.
  3. Menculini, G., Verdolini, N., Murru, A., Pacchiarotti, I., Volpe, U., Cervino, A., … Tortorella, A. (2018, Dezember 1). Depressive mood and circadian rhythms disturbances as outcomes of seasonal affective disorder treatment: A systematic review. Journal of Affective Disorders. Elsevier B.V. https://doi.org/10.1016/j.jad.2018.08.071.
  4. Huotari, A., & Herzig, K. H. (2008). Vitamin D and living in northern latitudes – An endemic risk area for vitamin D deficiency. International Journal of Circumpolar Health. Taylor & Francis. https://doi.org/10.3402/ijch.v67i2-3.18258.
  5. Gloth, F. M., Alam, W., & Hollis, B. (1999). Vitamin D vs broad spectrum phototherapy in the treatment of Seasonal Affective Disorder. Journal of Nutrition, Health and Aging, 3(1), 5-7. Abgerufen von https://europepmc.org/article/med/10888476.
  6. Lansdowne, A. T. G., & Provost, S. C. (1998). Vitamin D3 enhances mood in healthy subjects during winter. Psychopharmacology, 135(4), 319–323. https://doi.org/10.1007/s002130050517.

  1. Casseb, G. A. S., Kaster, M. P., & Rodrigues, A. L. S. (2019). Potential Role of Vitamin D for the Management of Depression and Anxiety. CNS Drugs, 33(7), 619–637. https://doi.org/10.1007/s40263-019-00640-4.
  2. Bonato, M., La Torre, A., Saresella, M., Marventano, I., Merati, G., & Vitale, J. A. (2017). Salivary cortisol concentration after high-intensity interval exercise: Time of day and chronotype effect. Chronobiology International, 34(6), 698–707. https://doi.org/10.1080/07420528.2017.1311336.
  3. Rymaszewska, J., Ramsey, D., & Chładzińska-Kiejna, S. (2008). Whole-body cryotherapy as adjunct treatment of depressive and anxiety disorders. Archivum Immunologiae et Therapiae Experimentalis, 56(1), 63–68. https://doi.org/10.1007/s00005-008-0006-5.
  4. Jedema, H. P., Finlay, J. M., Sved, A. F., & Grace, A. A. (2001). Chronic cold exposure potentiates CRH-evoked increases in electrophysiologic activity of locus coeruleus neurons. Biological Psychiatry, 49(4), 351–359. https://doi.org/10.1016/S0006-3223(00)01057-X.
  5. Parker, G. B., Brotchie, H., & Graham, R. K. (2017, Januar 15). Vitamin D and depression. Journal of Affective Disorders. Elsevier B.V. https://doi.org/10.1016/j.jad.2016.08.082.
  6. Escames, G., Lopez, A., Antonio Garcia, J., Garcia, L., Acuna-Castroviejo, D., Joaquin Garcia, J., & Carlos Lopez, L. (2010). The Role of Mitochondria in Brain Aging and the Effects of Melatonin. Current Neuropharmacology, 8(3), 182–193. https://doi.org/10.2174/157015910792246245.

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