Unser Immunsystem ist unser Schutzschild und ein extrem ausgeklügeltes System. Es lernt von Geburt an, welche Stoffe für uns gefährlich sind und ob wir dagegen reagieren sollten – z. B. in Form einer allergischen Reaktion. Das ist für uns nicht immer angenehm, sondern häufig eher belastend. Welchen Sinn hat also eine Allergie und kann sie uns vielleicht sogar das Leben retten?


Was genau ist eine Allergie?

Unser Immunsystem besteht aus vielen unterschiedlichen Zellen mit verschiedenen Aufgaben. Manche Immunzellen bekämpfen Viren, die sich in unsere Körperzellen setzen, andere bauen mutierte Krebszellen ab oder beseitigen Zelltrümmer nach einem Trauma. Je nachdem, welches Problem wir gerade haben, wird über Botenstoffe (Zytokine) die entsprechend Spezialeinheit alarmiert und zum Ort des Geschehens gelenkt. Die ausgeschütteten Botenstoffe dienen als die anderen Einheiten, um nicht unnötig Energie zu verbrauchen.

Körperfremde Stoffe (oder auch Antigene), wie das Gift einer Biene, Bakterien oder aber Parasiten sind gefährlich für uns und sorgen, sobald wir in Kontakt mit ihnen treten (ihre Oberfläche erkennen), für eine Reaktion. Ursache für die allergische Reaktion ist jedoch, dass das Antigen in unseren Körper eingedrungen und mit unseren Immunzellen in Kontakt geraten ist. Dieser Kontakt nennt sich Sensibilisierung und kann auch unbemerkt ablaufen. Ist dies der Fall schaltet sich das sogenannte Th2-System ein. Es erlernt, wie das Antigen aussieht und beginnt Antikörper dagegen zu produzieren. Diese binden spezifisch an das auslösende Antigen.

Was ist der evolutionäre Vorteil einer Allergie?

Unser Immunsystem lernt von Geburt an, welche Stoffe für uns gefährlich sind und ob wir dagegen reagieren sollten. Diese Reaktion zeigt sich in einer überschießenden Immunantwort, welche mit den klassischen Entzündungszeichen einher geht.

So bemerkt man bei einer parasitären oder bakteriellen Infektion typischerweise Rötungen, Schwellungen, Wärme, Schmerz und ggf. eine Einschränkung von Körperfunktionen. Hier kann uns das Th2-System durch seine schnell einschießende Reaktion das Leben retten. Bei einer ungefährlichen Polle oder einem Nahrungsmittel ist dies jedoch eher lästig.

Dieser Lernprozess ist dynamisch und nicht bis an das Lebensende fixiert, weshalb auch Impfungen in bestimmten Abständen wiederholt werden müssen, um das Th2-System regelmäßig zu „schulen“. Eine Allergie muss daher nicht zwingend bis an das Lebensende vorhanden sein, sondern kann auch desensibilisiert werden.

Was ist eine Allergie? Ab wann bin ich Allergiker?

Gibt es einen erneuten Kontakt mit einer Substanz nach der Sensibilisierung, z.B. einer eigentlich harmlosen Polle, „erinnert“ sich das Immunsystem und reagiert mit einer überschießenden Reaktion. Sprich: das Allergen – eine potenziell gefährliche Substanz – wird erkannt und bekämpft. Je nach Kontaktstelle zwischen Antigen und Antikörper kommt es also immer wieder zu entsprechenden allergischen Symptomen: Der alljährliche Heuschnupfen ist etwa ein Beispiel. Haben wir den Kontakt zwischen einer Polle und der Lungenoberfläche, so kann es zu Atemnot kommen. Bei Nüssen mit der Speiseröhre zu Schluckbeschwerden bis hin zu Atemnot und Verdauungsbeschwerden.

Was sind Antikörper? Und wie funktionieren diese?

Antikörper werden von Immunzellen (den B-Lymphozyten) gebildet und dienen der Immunabwehr, weshalb sie auchImmunglobuline(Ig) genannt werden. Es gibt mehrere Arten von Antikörpern (IgA, IgD, IgE, IgG, IgM), welche natürlich unterschiedliche Funktionen haben (bei der Allergie ist IgE der wichtigste). Man könnte aber vereinfacht sagen, dass man immer einen spezifischen Antikörper bilden muss, um vor einem bestimmten Antigen geschützt zu sein. Dafür ist der vorherige Kontakt zu der Oberfläche des Antigens notwendig. Dieser Antikörper passt dann wie ein Schlüssel für ein bestimmtes Antigen-Schloss. Weil unsere Immunzellen keine Augen haben, werden diese zum Teil mit Antikörpern ausgerüstet, um durch das Schlüssel-Schloss-Prinzip das Antigen erkennen und zerstören zu können. Zudem werden Antikörper aber auch wie kleine Fähnchen im Körper verteilt. Dringt dann irgendwo ein Antigen ein, bindet das Fähnchen (Schlüssel-Schloss-Prinzip), macht das Antigen für unsere Immunzellen „sichtbar“ und blockiert evtl. noch dessen Funktion.

Welche unterschiedlichen Allergien gibt es?

Es gibt verschiedene Arten von Allergien, die man auch in unterschiedliche Klassen einteilen kann. Die Typ I Allergie oder auch Soforttyp-Reaktion tritt innerhalb von wenigen Sekunden bis Stunden ein und wird meist durch Stoffe (Tierhaare, Pollen, Schimmelpilzsporen, Staubbestandteile wie z.B. Milben, Arznei- oder Nahrungsmittel) aus der Umwelt ausgelöst.

Häufig wird jedoch eine Allergie, gerade bei Nahrungsmitteln, mit einer Pseudoallergie oder einer Intoleranz verwechselt, da die Auswirkungen, die wir wahrnehmen, ähnlich sein können. Die Pseudoallergie gleicht stark der Typ I Allergie, unterscheidet sich aber in der Reaktion des Immunsystems: Eine immunologische Reaktion mit Beteiligung der IgE-Antikörper ist somit nicht nachweisbar. Bei pseudoallergischen Reaktionen findet keine vorhergehende Sensibilisierung statt. Es ist daher eine unspezifische, allergische Reaktion, also ohne einen passenden Antikörper (IgE) gegen das Antigen. Eine Intoleranz hat keinen immunologischen Hintergrund, sondern wird häufig durch einen Enzymmangel (z.B. Lactoseintoleranz) oder eine Aufnahmestörung (z.B. Fructoseintoleranz) bedingt und ist daher eine Stoffwechselstörung.

Allergien, Pseudoallergien und Intoleranzen sind für Laien schwer zu unterscheiden und können unterschiedliche Symptome aufweisen. Häufig ist der Kontaktpunkt mit dem Antigen ausschlaggebend, welche Symptome entstehen.
Allergien, Pseudoallergien und Intoleranzen sind für Laien schwer zu unterscheiden und können unterschiedliche Symptome aufweisen. Häufig ist der Kontaktpunkt mit dem Antigen ausschlaggebend, welche Symptome entstehen.

Woran erkenne ich eine Allergie?

Je nach Art der Allergie gibt es unterschiedliche Symptome, die sich zeigen können. Häufig ist der Kontaktpunkt mit dem Antigen ausschlaggebend, welche Symptome daraufhin entstehen. Die Unterschiede zwischen Allergie, Pseudoallergie und Intoleranz sind gerade für Laien schwer abzugrenzen, deshalb sollte man gemeinsam mit seinem Arzt auf Spurensuche gehen.

Unterschied Allergie zu Pseudoallergie und Intoleranz Tabelle:

ErkrankungsformAuslöserZeichenHintergrund
AllergieNahrungsmittelSchwellung und Juckreiz im Bereich der Mundschleimhaut und des Rachens, Zungenschwellung, Durchfall, Erbrechen, Übelkeit nach dem Essen, Meteorismus, kolikartige SchmerzenIgE vermittelte Reaktion (=unspezifische, allergische Reaktion, ohne einen passenden Antikörper)
AllergiePollenJuckreiz und Rötung in der Nase, weißlich-wässrigem Sekretfluss, anfallsartige NiesattackenIgE vermittelte Reaktion
AllergieInsektenAtemnot, Juckreiz im Hals, an den Händen und Fußsohlen, Übelkeit/ Erbrechen oder KreislaufbeschwerdenIgE vermittelte Reaktion
ZöliakieGlutenChronische Durchfälle, diffuse ganzkörperliche Beschwerden sowie KrankheitsgefühlNicht IgE vermittelte Immunreaktion
Pseudo-allergiez.B. Lektine aus Bohnen oder Lebensmittel-zusatzstoffenSchwellung, Rötung und Juckreiz an den Schleimhäuten im Mund- und RachenraumNasenlaufen (Rhinitis), Beschwerden im Magen-Darm-Trakt, Nesselsucht, Schweregrad ist stark abhängig von der Menge/ KonzentrationUnspezifische Aktivierung von Mastzellen und dadurch Freisetzung von Entzündungs-mediatoren
Nahrungs-mittelintoleranzLactoseBlähungen, Durchfall, BauchschmerzenZu wenige Enzyme zum Verdauen
Nahrungs-mittelintoleranzFructoseBlähungen, Durchfall, BauchschmerzenZu wenig Aufnahmekanäle

Allergische Reaktion: Das Problem

Bevor das Antigen in den Körper gelangt, gibt es eine Reihe von Schutzmechanismen, die uns wie eine Barriere vor äußeren Einflüssen schützen sollen. Umso intakter die Barriere ist, desto besser kann ich mich vor körperfremden Stoffen (Antigenen) schützen. Diese Barrieren finden sich auf allen Oberflächen wie Haut, Nase, Lunge, Mund und Darm. Gerade in Bezug auf den Darm konnte die Forschung zeigen, dass z.B. ein „Leaky Gut“, also eine zu durchlässige Darmbarriere, in enger Verbindung mit der Entstehung von Allergien steht. [1] [2] Der Mechanismus, der dahintersteht, ist schnell klar: Ist meine Barriere undicht, können Antigene leichter eindringen und eine Reaktion des Immunsystems auslösen.

Eine ausgewogene, artgerechte Ernährung ist hilfreich, um gegen Symptome einer Allergie vorzugehen, denn sie unterstützt das innere Gleichgewicht der Darmflora. Hier: Gemüsepuffer mit geräucherter Forelle - dazu passt Wildkräutersalat.
Eine ausgewogene, artgerechte Ernährung ist hilfreich, um gegen Symptome einer Allergie vorzugehen, denn sie unterstützt das innere Gleichgewicht der Darmflora. Hier: Gemüsepuffer mit geräucherter Forelle – dazu passt Wildkräutersalat.

Die wichtigsten Tipps gegen Allergien: Was kann man tun?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um gegen die Symptome einer Allergie vorzugehen.

1. Das Allergen meiden

Je nach Art der Allergie besteht eine wichtige Maßnahme darin, das Allergen zu meiden. Diese Risikovorsorge ist aber häufig nicht so einfach, denn Bienen, Hausstaub, Tierhaare oder Spuren von Schalentieren sind immer nur bedingt unter Kontrolle zu bekommen. Aber hier gilt es gerade bei schweren Symptomen und der Neigung zum anaphylaktischen Schock unbedingt eine gute Risikovorsorge zu betreiben.

2. Intakte Barrieren

Eine intakte Barriere ist von vielen Faktoren abhängig, da uns diese vor allen äußeren Einflüssen (Mikroorganismen, Sonne, Kälte, mechanische Reize, etc.) schützen soll. Es gibt also eine Vielzahl von Störfaktoren, die einen schädigenden Einfluss haben. Da unser Darm mit über 500m2 die größte Schutzbarriere ist, lohnt es sich, ihm besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Was genau Du tun kannst, um Deine Darmbarriere zu stärken, erfährst Du im Artikel „Leaky Gut.

Häufig macht man die Erfahrung, dass sich gerade in stressigen Zeiten eine Allergie verschlechtert. Bei Stress erhöht sich die Durchlässigkeit der Darmbarriere (Darmpermeabilität), was Antigenen den Weg in den Körper erleichtert. [3]

Auslösefaktoren für löchrige Barrieren *

Stress

  • Psychosozialer Stress
  • Sport induzierter Hitzestress

Nahrungsbestandteile

  • Industriezucker
  • Fruktose
  • Salz
  • Emulgatoren
  • Tenside
  • Organische Lösungsmittel
  • Gluten (Gliadin)
  • Mikrobielle Transglutaminase
  • Nanopartikel
  • Ethanol
  • Hülsenfrüchte
  • Kartoffeln

Ernährung & Nährstoffmängel

  • Hoch kalorische Ernährung
  • Fettreiche Ernährung
  • Mangel an:
    • Vitamin A
    • unverdaulichen Kohlenhydraten

Entzündungsreaktionen

  • Bakterielle und virale Infektion
  • Tumor Nekrosefaktor α (TNF-α)
  • Bestimmte Pathogene

Nicht-steroidale Entzündungshemmer (z. B. Acetylsalicylsäure) 

Hypoxie im Darm (als Folge einer Operation) 

* Quellen: siehe unsere Artikel zu “Der undichte Darm. Das Leaky Gut Syndrom

3. Immunregulation

Da unser Immunsystem der Auslöser für die Allergie und deren Symptome ist, macht es am meisten Sinn am Grund des Übels anzusetzen. Da das Immunsystem ein dynamisches und vor allem lernfähiges System ist, besteht die Möglichkeit eine Toleranz gegenüber dem Antigen zu entwickeln. Hierfür gibt es unterschiedliche Möglichkeiten:

  • Hyposensibilisierung durch eine ärztlich gesteuerte, regelmäßige Gabe des Antigens. Dadurch kann eine Toleranz gegenüber dem Immunsystem erzeugt werden. Dieses Verfahren dauert in der Regel drei Jahre.
  • ProbiotikaAktuelle Studienergebnisse zeigen, dass Probiotika als eine sinnvolle Ergänzung zur Therapie eingesetzt werden können. [4] [5] [6]
  • Diese fördern die Entwicklung von regulatorischen T- Zellen, welche für eine gute Balance zwischen den verschiedenen Spezialeinheiten des Immunsystems sorgen und das Th-2 System beruhigen. [4] Interessant dabei ist auch, dass unser Mikrobiom (v.a. unsere Darmflora) wohl auch an der Entstehung von Allergien beteiligt ist. Mikroorganismen schulen unsere Toleranz gegenüber körperfremden Stoffen und sorgen dafür, dass unsere Spezialeinheiten nicht überreagieren.
  • Artgerechte Ernährung: Damit unser Mikrobiom eine Unterstützung für uns ist und keine Belastung, benötigt es die richtige präbiotische Nahrung. Eine vielfältige und artgerechte Ernährung hilft, das innere Gleichgewicht der Darmflora herzustellen. Wie Du das genau machen kannst, erfährst du in unserem Artikel: Aufbau der Darmflora.
  • Auch ein ausreichender Vitamin D Spiegel kann dazu beitragen die Chancen auf die Entstehung einer Allergie zu reduzieren [7] und kann ebenfalls unterstützend zur Immunregulation beitragen. [5]

Literatur:

  1. Liu, Z., Li, N., & Neu, J. (2007). Tight junctions, leaky intestines, and pediatric diseases. Acta Paediatrica, 94(4), 386–393. https://doi.org/10.1111/j.1651-2227.2005.tb01904.
  2. Perrier, C., & Corthésy, B. (2011). Gut permeability and food allergies. Clinical & Experimental Allergy, 41(1), 20–28. https://doi.org/10.1111/j.1365-2222.2010.03639.
  3. Kelly, J. R., Kennedy, P. J., Cryan, J. F., Dinan, T. G., Clarke, G., & Hyland, N. P. (2015, Oktober 14). Breaking down the barriers: The gut microbiome, intestinal permeability and stress-related psychiatric disorders. Frontiers in Cellular Neuroscience. Frontiers Media S.A. https://doi.org/10.3389/fncel.2015.00392.
  4. Ho, H. en, & Bunyavanich, S. (2019, Mai 1). Microbial Adjuncts for Food Allergen Immunotherapy. Current Allergy and Asthma Reports. Current Medicine Group LLC 1. https://doi.org/10.1007/s11882-019-0859-1.

  1. Joo Chan, C., Richardo, T., & Lim, R. L. H. (2018, November 2). Current Trend in Immunotherapy for Peanut Allergy. International Reviews of Immunology. Taylor and Francis Ltd. https://doi.org/10.1080/08830185.2018.1509967.
  2. Rajakulendran, M., Tham, E. H., Soh, J. Y., & Van Bever, H. (2018). Novel strategies in immunotherapy for allergic diseases. Asia Pacific Allergy, 8(2). https://doi.org/10.5415/apallergy.2018.8.e14.
  3. Matsui, T., Tanaka, K., Yamashita, H., Saneyasu, K. ichi, Tanaka, H., Takasato, Y., … Ito, K. (2019, April 1). Food allergy is linked to season of birth, sun exposure, and vitamin D deficiency. Allergology International. Japanese Society of Allergology. https://doi.org/10.1016/j.alit.2018.12.003.

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