Weltweit sind rund 25 % der Bevölkerung von einer Pollenallergie bzw. Heuschnupfen betroffen [1]. In Deutschland leiden rund 12 Millionen Menschen (14,8 %) an Heuschnupfen, wobei dieser die Nummer eins der allergischen Erkrankungen darstellt. Betroffen sind in der Regel die oberen Atemwege. Zu den häufigsten Beschwerden zählen Niesattacken, Fließschnupfen und Augenjucken, aber auch eine Abnahme der Leistungsfähigkeit, eine schlechte Schlafqualität sowie allgemeine Erschöpfung zählen zu den Begleiterscheinungen [2].
Auslöser der allergischen Reaktion ist der Pollen- bzw. Blütenstaub windbestäubender Pflanzen. Die wesentlichen allergieauslösenden Pollen stammen von Bäumen, Gräsern und Kräutern [2].
Nach Jahren der Erkrankung kann es jedoch auch zu einem sogenannten „Etagenwechsel“ von den oberen zu den unteren Atemwegen kommen, indem die Bronchien ebenfalls überempfindlich reagieren mit der Entstehung von Asthma bronchiale [2]. Die Prävalenz der allergischen Lungenentzündung hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen, was mit veränderten Umweltfaktoren wie inhalierten Schadstoffen (Tabakrauch, Feinstaub, Stickstoffoxide und Ozon) sowie wiederholte Exposition gegenüber Atemwegsviren zusammenhängt, die reaktive Sauerstoffspezies erzeugen (ROS) [1].
Oxidativer Stress ist nicht nur eine Folge von Umwelteinflüssen, sondern entsteht auch bei Entzündungsprozessen, da sowohl Entzündungszellen in den Atemwegen als auch in den Blutgefäßen ROS erzeugen. Physiologisch besteht ein Gleichgewicht zwischen der Produktion von ROS und dessen Eliminierung, dass von der Verfügbarkeit von Übergangsmetallen wie Eisen abhängt. Besteht ein Ungleichgewicht dieses Systems durch eine übermäßige Produktion von ROS, werden die Zellen oxidativ gestresst, was wiederum zu einer zusätzlichen ROS-Produktion, Veränderungen in der zellulären Signalgebung und der Entwicklung pathologischer Prozesse führt. Vor allem Eisen kann sich unter oxidativen Stressbedingungen negativ auf physiologische Prozesse auswirken, da dessen katalysierende Wirkung Superoxidanionen (O2-) und Wasserstoffperoxid (H2O2) in zytotoxische Hydroxyradikale umwandelt. Pro-oxidatives Eisen spielt bei Menschen und Tieren eine Rolle bei oxidativem Stress in der Lunge [1].
Lactoferrin ist für seine immunmodulatorischen und entzündungshemmenden Eigenschaften sowie seine Wirkung als Antioxidans bekannt. Möglicherweise kann Lactoferrin aufgrund seiner Eisenbindungskapazität die Konzentration hochreaktiver Spezies verringern und somit die Pollen-induzierte Atemwegsentzündung reduzieren [1].
In einer Zellkulturstudie konnte gezeigt werden, dass Lactoferrin signifikant einen pollen-induzierten oxidativen Stress in Bronchialepithelzellen reduziert [1].
Eine darauf aufbauende in vivo-Studie zeigte zudem eine therapeutische Wirksamkeit von Lactoferrin bei Mäusen mit allergischen Atemwegsentzündungen [1]:
- Die Ansammlung von Eosinophilen, Immunzellen die zu den Granulozyten gehören und an der zellulären Immunabwehr beteiligt sind, wurde in den Atemwegen signifikant von Lactoferrin verringert.
- Die Produktion von Muzinen (Schleimstoffen) wurde durch Lactoferrin reduziert, indem die Anhäufung muzinproduzierender Zellen verringert wurde.
- Die Entzündung der Atemwege wurde reduziert, indem Lactoferrin die Anhäufung von Entzündungszellen und -mediatoren verringerte.
- Die bereits in der Zellkultur gezeigte antioxidative Wirkung wurde auch im Mausmodell bestätigt durch die Bindung von intrazellulärem Eisen.
- Eine weitere Studie zeigte bei Schafen mit allergischem Asthma, dass eine Inhalation von Lactoferrin sowohl die Verengung der Bronchien in der Spätphase als auch die Hyperreaktivität der Atemwege verringern kann. Dies geht vermutlich auf die physiologische Funktion von Lactoferrin zurück, die Freisetzung von Tryptase, ein Botenstoff von aktivierten Mastzellen (Entzündungszellen), zu hemmen. Tryptase wird als mögliche Ursache für allergisches Asthma angesehen und die Daten der Studie deuten darauf hin, dass der Botenstoff sowohl an der Verengung der Bronchien als auch an der Hyperreaktivität der Atemwege beteiligt ist. Lactoferrin bindet nachweislich an Heparin, dass als Stabilisator Bestandteil des Tryptasemoleküls ist, und kann so seine hemmende Wirkung entfalten [3].
Neben der Hemmung der Freisetzung von Mastzell-Tryptase wurde ebenfalls untersucht, ob Lactoferrin die Aktivierung der Mastzellen, ein Schlüsselfaktor allergischer Reaktionen, direkt beeinflussen kann. Studienergebnisse zeigten, dass Lactoferrin die Immunglobulin E-abhängige Histaminfreisetzung aus menschlichen Mastzellen um 50 % hemmen kann [4].
Im Mausmodell konnten weitere positive entzündungshemmende und immunregulierende Wirkmechanismen von Lactoferrin bei allergischem Asthma gezeigt werden. Die Sensibilisierung der Mäuse und somit Auslösung des Krankheitsbildes erfolgte durch Ovalbumin (OVA) [5].
- Schützende Wirkung von Lactoferrin bei der Verbesserung der Hyperreaktivität der Atemwege sowie der Lungenschädigung und -entzündung.
- Verringerung der Expression von Th2-Zytokinen (Signalmoleküle des Immunsystems; IL-4, IL-5, IL-13), der Sekretion allergenspezifischer Antikörper sowie der gesamten Th2-Immunreaktion.
- Beeinflussung der Funktion dendritischer Zellen (verantwortlich für antigenspezifische Immunantworten).
Diese Ergebnisse aus ersten in-vivo-Studien mit Tiermodellen geben vielversprechende Hinweise auf einen therapeutischen Nutzen von Lactoferrin bei allergischen Entzündungskrankheiten wie Heuschnupfen und allergischem Asthma. Klinische Humanstudien werden mit Spannung erwartet.
Quellen
1. Kruzel ML, Bacsi A, Choudhury B, Sur S, Boldogh I. Lactoferrin decreases pollen antigen-induced allergic airway inflammation in a murine model of asthma. Immunology. 2006;119(2):159-166. doi:10.1111/j.1365-2567.2006.02417.x
2. Bergmann KC, Heinrich J, Niemann H. Current status of allergy prevalence in Germany: Position paper of the environmental medicine commission of the Robert Koch Institute. Allergo J Int. 2016;25(1):6-10. doi:10.1007/s40629-016-0089-1
3. Elrod KC, Moore WR, Abraham WM, Tanaka RD. Lactoferrin, a Potent Tryptase Inhibitor, Abolishes Late-Phase Airway Responses in Allergic Sheep. Vol 156.; 1997.
4. He S, McEuen AR, Blewett SA, et al. The inhibition of mast cell activation by neutrophil lactoferrin: Uptake by mast cells and interaction with tryptase, chymase and cathepsin G. Biochem Pharmacol. 2003;65(6):1007-1015. doi:10.1016/S0006-2952(02)01651-9
5. Lin CC, Chuang KC, Chen SW, et al. Lactoferrin Ameliorates Ovalbumin-Induced Asthma in Mice through Reducing Dendritic-Cell-Derived Th2 Cell Responses. Int J Mol Sci. 2022;23(22). doi:10.3390/ijms232214185